ROLF LAUER

DER SCHREIN DER HEILIGEN DREI KÖNIGE 
II
Erst über 20 Jahre später, vielleicht um 1190, begannen Nikolaus von Verdun, der führende Goldschmied dieser Zeit, und seine Werkstatt mit der Arbeit an dem bis heute erhaltenen Reliquienschrein. Schon zu Beginn war klar, dass der Dreikönigenschrein alle früheren Großreliquiare, wie sie im Rhein-Maasgebiet in dieser Zeit in großer Zahl entstanden, an Größe, Kostbarkeit und inhaltlichem Anspruch übertreffen sollte. Das architektonische Konzept der zweigeschossigen Anlage, gleichsam zwei einfache Schreine als Sockel, bekrönt von einem dritten, wurde ebenso schon zu Beginn festgelegt wie die prachtvolle Ausstattung mit antiken geschnittenen Steinen, reichstem Emailschmuck und einem Bildprogramm, das die Heilsgeschichte von Anbeginn der Zeit bis zum Weltgericht umfasst. Die Größe der Aufgabe erklärt vielleicht den verzögerten Beginn, aber auch die lange Bauzeit von ca. dreißig Jahren und die Arbeit verschiedener Werkstätten: der Schrein wurde erst um 1220 mit den Reliefs der Rückseite, die von einer maasländischen Werkstatt gefertigt wurden, vollendet.
Obwohl die Reliefs der Dachflächen mit Szenen aus dem Leben Christi unten und Bildern der Apokalypse auf den oberen Schrägen verloren sind, sind die wesentlichen Teile des Schreinsprogrammes erhalten: Das Alte Testament vertreten durch sitzende Propheten an den unteren Langseiten mit Moses und Aaron an ihrer Spitze und den Königen David und Salomon in der Mitte. Sie bilden gleichsam den Sockel, die geistige Basis für die thronenden Apostel an den oberen Langseiten.
Inhaltliche Verdichtung wird auch an der Vorderseite sichtbar, die, im Gegensatz zu den übrigen aus vergoldetem Silber und Kupfer gefertigten Beschlägen, als Stiftung von König Otto IV. (um 1200) aus reinem Gold gefertigt ist. Thema ist die dreifache Epiphanie Christi: die Bestätigung der Menschwerdung in der Anbetung der Heiligen Drei Könige, die öffentliche Anerkennung in der Taufe und die Wiederkehr zum Jüngsten Gericht.
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