|
|
|
VOR
EINIGEN WOCHEN faszinierte mich am Verkaufsstand des Berliner Pergamon-Museums
die Farbpostkarte eines antiken Kopfes. Die ungewöhnlich detailierte
Beschriftung auf der Rückseite erläuterte, dass es sich bei
dem Marmorkopf um ein "Porträt des pergamenischen Königs
Attalos I. vom "Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. handele,
"Höhe 39,5 cm. Während des Museumsbesuchs hatte ich
den Kopf offenbar übersehen. Die Fotografie beeindruckte mich aber
derart, dass ich mich nach dem Standort erkundigte und noch einmal zurückging.
Als ich den entsprechenden Raum betrat, erkannte ich den immerhin überlebensgroßen,
an zentraler Stelle postierten Kopf schnell wieder. Ich hatte ihn auch
beim Rundgang wahrgenommen, aber als einen von vielen nicht weiter beachtet
und bereits vergessen.
Was war passiert? Wie konnte mich die Fotografie eines Kunstwerks in nachhaltigen
Bann schlagen, während ich am Original achtlos vorüberging?
Selbst Fotograf bemerkte ich als erstes das unterschiedliche Licht. Im
Museum war der Kopf in sanftes, linksseitiges Nordlicht gehüllt,
das ihn - aufgehellt noch durch allgemeines Saallicht - äußerst
weich, kaum merklich konturierte. In der Fotografie fällt exakt auf
das Objekt abgestimmtes Kunstlicht von oben, leicht nach vorne rechts
versetzt auf den Kopf, ein Licht, das die Materialität und Physiognomie
des Königskopfes herausarbeitet und damit überhaupt erst präsent
macht: die kraftvollen, wenngleich aufgesetzten Haarsträhnen, den
Bogen der Augenbrauen, die leicht gerundete Nase, den ausgeprägten
Mund, die Ansätze der Wangenknochen und einer Stirnfalte. Dass mir
das Bild durch die isolierte Präsentation seines Gegenstands vor
neutralem Hintergrund die Anstrengung der Konzentration auf das Einzelobjekt
- verglichen mit einem Raumeindruck voller vergleichbarer Objekte - abnimmt,
sei vorausgesetzt.
|